Vom Praktikum in den Vollzeit-Job

Vom Praktikum in den Vollzeit-Job

Das „Café Sozial“ in Tübingen ist eine Anlaufstelle der Stadt für viele Hilfesuchende. Dass sie die richtigen Ansprechpartner finden, dafür sorgt Jurek Pakulski.

Susanne Döffinger ist Jobcoach bei der Habila. Sie unterstützt Menschen mit Behinderung dabei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Einer ihrer Klienten war Jerzy Gerard Pakulski, der aber von allen Jurek genannt wird und das auch so möchte. Neben einer Spastik hat er Beeinträchtigungen beim Hören und Sprechen. Was Susanne Döffinger von Anfang an begeistert hat in der Zusammenarbeit, ist die hohe Eigenmotivation von Jurek. „Er wollte es unbedingt schaffen, hat ein tolles Auftreten und ist sich gleichzeitig seiner Schwächen bewusst“, lobt sie.

Nach der Schule besuchte Jurek den Berufsbildungsbereich der Habila in Rappertshofen. Anschließend bewarb er sich erfolgreich um einen Außenarbeitsplatz der Werkstatt in der Habila-Verwaltung in Tübingen, wo er Büroarbeiten und Botengänge erledigte. Mehr als zehn Jahre übte er diese Tätigkeiten aus. „Der Impuls für etwas Neues ging von mir aus. Ich muss selber entscheiden, was ich möchte“, sagt Jurek.

Mit Unterstützung von Susanne Döffinger schrieb er während der Corona-Zeit viele Bewerbungen, darunter auch eine Initiativ-Bewerbung an die Stadt Tübingen. Uwe Seid ist dort Leiter der Fachabteilung Sozialplanung und Inklusionsbeauftragter. Er habe die Bewerbung erst einmal zur Seite gelegt, weil es keine geeignete freie Stelle gegeben habe, erinnert er sich. Doch mit der Aufstellung eines „Aktionsplans Inklusion“, der einen Schwerpunkt beim Übergang von Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt setzte, und dem absehbaren Umzug seiner Abteilung in ein anderes Gebäude mit einem Café, habe er Jureks Bewerbung noch einmal hervorgeholt.

Es kam zu einem ersten Gespräch, das in ein Praktikum mündete. „Jurek war von Anfang an Feuer und Flamme“, erinnert sich Susanne Döffinger. Mit Bravour überwand er Hürden und überzeugte die neuen Kolleg*innen von seinen Fähigkeiten. „Meine Sprache hat sich verbessert, weil ich viel sprechen muss“, sagt Jurek.

Was wohl anfangs kaum jemand für möglich gehalten hätte: Jurek eroberte für sich den Empfangstresen. Ausgerechnet dort, wo jeden Tag viele Menschen mit und ohne vorherigen Termin erscheinen, nach einem bestimmten Formular oder Ansprechpartner suchen und komplizierte Themen rund um Sozialhilfe, Wohnberechtigungsnachweise und Hilfen für Geflüchtete zu klären sind, fühlte sich Jurek besonders wohl. Was mit einem Praktikum begann, mündete zu Jahresbeginn in einen unbefristeten Arbeitsvertrag für eine Vollzeitstelle. Auch Postlauf-Arbeiten und die Versorgung von Besprechungsrunden mit Getränken und Brezeln gehören heute zu Jureks Aufgabengebiet.

„Es war längerer Prozess, in dem wir gemeinsam immer neue Kompetenzen entdeckt haben“, so Uwe Seid. Berufliche Inklusion sei allerdings kein Selbstläufer, sondern erfordere auch Engagement auf Seiten des Arbeitgebers. Menschen mit Behinderung, die viele Jahre in Institutionen verbracht hätten, müssten aus manchen dort erlernten Verhaltensweisen erst wieder herausfinden.

Die Unterstützung von Susanne Döffinger als Jobcoach und von Sofia Schmitt vom Integrationsfachdienst sei dabei eine große Unterstützung gewesen. Von den Erfahrungen profitiert die Stadt auch zukünftig. Vier zusätzliche Stellen für Menschen mit Behinderung wurden im Rahmen des Aktionsplans Inklusion in der Verwaltung geschaffen. Sie richtig auszugestalten und die richtigen Bewerber*innen dafür zu finden, dabei könne er die Kolleg*innen nun besser unterstützen, ist Uwe Seid sicher.

Dass sich der Aufwand lohnt, erfährt man im Gespräch mit Jurek. „Ich freue mich, Teil eines supernetten Teams zu sein und mit ihnen lachen zu können“, erzählt er. „Die Kolleg*innen und Kund*innen haben keine Scheu vor mir.“ Selbstbewusster sei er geworden, auch im Privaten. Bekannte würden ihn jetzt als „lebhafter und positiver“ beschreiben.

Zurück

Weitere Nachrichten