17. April 2025

Dreidimensionale Assistenz

Seit einem guten halben Jahr hat die Werkstatt des Tannenhofs in Ulm einen neuen Mitarbeiter: Einen 3D-Drucker!

Neue Möglichkeiten für die Beschäftigten eröffnet eine Investition der Werkstatt. Speziell auf die individuellen Fähigkeiten und das jeweilige Werkstück zugeschnittene Halterungen und Hilfsmittel aus dem 3D-Drucker sorgen dafür, dass viele Arbeiten sicherer und einfacher ausgeführt werden können.

Seit einem guten halben Jahr hat die Werkstatt des Tannenhofs in Ulm einen neuen Mitarbeiter, mit dem sich Produktionsleiter Uwe Schacher sein Büro teilt und eng zusammenarbeitet. Der Kollege agiert fleißig und leise, allerdings muss Uwe Schacher immer mal wieder kontrollieren, dass er keine Fehler macht. Der neue Gehilfe der Werkstatt am Tannenhof Ulm ist ein 3D-Drucker.

„Ich hatte keine Vorerfahrung mit diesen Geräten. Aber ich habe mich gut in die Materie eingefunden und mittlerweile macht mir das Kreieren neuer Werke richtig Spaß“, erzählt Schacher. Zudem hat sich herausgestellt, dass ein anderer Kollege aus Fleisch und Blut das 3D-Drucken als Hobby betreibt. Philipp Keil, angestellt in der Abteilung Klientenservice, freut sich auch jetzt noch, wenn er zu einem Problem hinzugerufen wird.

Die Hauptaufgabe des Kollegen 3D-Drucker ist allerdings, selbst ein Problemlöser zu sein. Denn er wird eingesetzt, um Hilfsmittel und Vorrichtungen herzustellen, mit denen die Werkstattbeschäftigten ihre Aufgaben besser bewältigen können. Mit dem Blick für die neuen Möglichkeiten dreht Uwe Schacher Runden durch die Arbeitsgruppen, um festzustellen, wo Produktionsschritte leichter und präziser erledigt werden könnten. Nicht mehr Leistung oder höhere Stückzahlen stehen dabei im Mittelpunkt. Es geht vielmehr um Wege, noch mehr Beschäftigten zu ermöglichen, bestimmte Tätigkeiten auszuführen. Wenn die Arbeit leichter von der Hand geht, macht sie auch mehr Spaß.

Inzwischen kommen Gruppenleiter auch von sich aus auf den Produktionsleiter zu mit Ideen, wie sich Hürden im Arbeitsalltag mit dem 3D-Drucker beheben ließen. Sobald ein neuer Auftrag hereinkommt, wird überprüft, ob der Drucker in die notwendigen Produktionsschritte einbezogen werden kann.

„Der 3D-Drucker war eine prima Investition“, freut sich Werkstattleiterin Anett Wegener. „Es zahlt sich aus, offen für Neues zu sein. Ich bin stolz auf mein Team, das immer wieder kreativ nach Lösungen sucht, um unseren Beschäftigten eine gute Arbeitserfahrung zu bieten.“ Gegenüber bisher häufig verwendeten Hilfsmitteln aus Holz oder Metall sind die gedruckten Vorrichtungen variabler. Der zum Druck verwendete Kunststoff ist in vielen Stärken, Farben und Elastizitäten erhältlich. Es können exakt auf das Produkt abgestimmte Formen hergestellt und, einmal programmiert, beliebig vervielfacht werden. Außerdem ist das Material gleichzeitig leichter und weniger anfällig für Gebrauchsspuren – und weil es keine scharfen Kanten oder Splitter gibt, ist es auch sicherer für die Beschäftigten.

Die Anregung für die Anschaffung kam in einem Austauschtreffen der Produktionsleiter von Werkstätten verschiedener Träger in der Region zustande. Seither sind in der Tannenhof-Werkstatt etliche Halterungen für die spezifischen Produkte der Kunden entstanden, aber auch Aufsetzer für Pressen oder Einfassungen für Scheibenelemente. Fertige Anleitungen gibt in aller Regel nicht. Für jede Aufgabenstellung wird ein Prototyp gedruckt. Anschließend wird die Konstruktion so lange verfeinert, bis sie den gewünschten Zweck erfüllt. Dieser Prozess dauert oft mehrere Tage, aber das Ergebnis bietet langfristig einen großen Mehrwert für die Klient*innen.

„Mit diesem Gerät geht die Arbeit viel leichter. Das war eine sehr gute Idee!“, findet auch Sonja Köllner, während sie demonstriert, wie ein Schlauchkopf sich perfekt in die Haltevorrichtung fügt und sie den Barcode-Aufkleber exakt in das dafür vorgesehene Fenster platzieren kann. Sie muss ihre Konzentration nicht mehr darauf verwenden, den Schlauchkopf im passenden Winkel festzuhalten, damit er auf der glatten Tischfläche nicht wegrollt. „Dort drüben wird auch mit einem Ergebnis des Druckers gearbeitet“, weiß sie. Sie geht zu einem anderen Tisch und führt vor, wie leicht sich das Verzinken von Schrauben auf dem Scheibenelement mit der justierbaren Halterung gestaltet.

Eine andere Klientin arbeitet daran, einzelne Teile in eine Kunststoffstraße mit entsprechenden Aushöhlungen zu legen. Dann schiebt sie durch die Löcher einen Kabelbinder, den sie an beiden Enden hochnimmt und zusammenführt. Ein Ring entsteht, wie man ihn in einem Gartenfachmarkt kaufen kann. Bis es die Vorrichtung aus dem 3D-Drucker gab, musste jedes Element einzeln eingefädelt werden. Dabei bestand immer die Gefahr, dass bereits aufgenommene Elemente wieder vom Kabelbinder herunterrutschten.

Die typischen bunten Farben des ungiftigen 3D-Kunststoffs leuchten aber nicht nur in der Tannenhof-Werkstatt inzwischen an vielen Stellen. Beim großen Jubiläums-Sommerfest zum 50. Geburtstag des Tannenhofs stammte auch die Tischdekoration aus dem Drucker. Und beim Schlendern durch die Gruppenräume entdeckt Uwe Schacher etliche Hilfskonstruktionen, die er schon gar nicht mehr im Kopf hatte. Im Gegensatz zu den vielen Plänen und Ideen, die er für den 3D-Drucker noch hat.

Die gemeinsamen Büro-Tage sind allerdings gezählt. Bald bekommt der Kollege Drucker seine eigenen Räume – dort, wo früher die Holzhilfsmittel gefertigt wurden. Wird Uwe Schacher seinen Bürokollegen vermissen? „Ein bisschen schon“, lacht er. „Es hat einen entspannenden Effekt, ab und zu herüberzuschauen und den ruhigen Bewegungen des mechanischen Arms und der Farbe zuzusehen.“ Gestört habe er ihn bisher nie, auch unangenehme Gerüche verbreite er nicht.

So ganz verzichten muss der Produktionsleiter womöglich auch in Zukunft nicht auf den Anblick des Neuen. Schacher plant, an dem Drucker eine Kamera zu installieren, mit der er dessen Arbeitsabläufe weiterhin beaufsichtigen kann. Diese Form der Überwachung bleibt aber selbstredend auf diesen ganz speziellen Mitarbeiter beschränkt.

| Nadine Paul

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