12. März 2019

"Da angekommen, wo ich sein will"

Seit zehn Jahren gibt es auch in Aalen und Schwäbisch Gmünd Wohnangebote, die eine Assistenz im stationären Setting bieten, in denen die Klient*innen aber dennoch in ganz normalen Wohnungen mitten in der Stadt leben.

Schon in den 1990er-Jahren hat sich der Rabenhof Ellwangen auf den Weg gemacht, auch seine stationären Angebote zu dezentralisieren und entsprechende Möglichkeiten in den Städten und Gemeinden des Ostalbkreises zu schaffen. Anfangs konzentrierte sich dies auf die Stadt Ellwangen, in der eine erste Außenwohngruppe eröffnet wurde. In der Folge wurden weitere Wohnungen angemietet, in denen das Angebot bedarfsgerecht weiterentwickelt werden konnte.

Vor zehn Jahren gelang es dann, solche Wohnangebote mit stationärer Unterstützung auch in Aalen und Schwäbisch Gmünd aufzubauen. Es begann mit jeweils einem Haus, inzwischen gibt es in beiden Städten solche Wohnangebote für 23 beziehungsweise 24 Menschen mit einer schweren psychischen Beeinträchtigung. Dafür wurden in beiden Städten Regionale Wohnverbünde aufgebaut.

Die Habila-Mitarbeiterin Elke Schillinger und ihr Kollege Matthias Schenk waren bei diesem Prozess von Anfang an dabei. „Es ist ein großer Erfolg, dass wir dieses Angebot erweitern konnten“, sagt Elke Schillinger. Und die Entwicklung geht weiter: Mit dem Landkreis ist der Aufbau von 36 Plätzen in Aalen und Schwäbisch Gmünd vereinbart. „Wichtig war, parallel dazu auch das ambulant betreute Wohnen auszubauen. Durch unsere Förderung und Unterstützung konnten mehrere Klient*innen vom stationären in ein Wohnen mit ambulanter oder auch ohne professionelle Unterstützung wechseln“, berichtet Schillinger. Dass es sich um Angebote handelt, die für alle Beteiligten attraktiv sind, zeige sich an einer geringen Fluktuation – sowohl unter den Mitarbeiter*innen wie unter Klient*innen.

Mit dem Wachstum dieser Wohnform eröffneten sich auch neue Möglichkeiten: „Wechselten anfangs vor allem Personen aus der Kerneinrichtung Rabenhof in die neuen Wohnungen, werden wir mittlerweile in erster Linie von Menschen aus Schwäbisch Gmünd und der unmittelbaren Umgebung angefragt“, ergänzt Matthias Schenk. Dies liege einerseits an dem gestiegenen Bekanntheitsgrad des Angebotes, aber auch daran, dass dieses inzwischen im Sozialraum etabliert und gut vernetzt sei. „Wir werden als verlässlicher Partner wahrgenommen“, sagt Schenk.

Aber auch inhaltlich habe sich diese Form der Wohnangebote weiterentwickelt. Seien zu Beginn noch viele Strukturen und Abläufe relativ selbstverständlich aus der Kerneinrichtung übernommen worden, so habe sich Form der Assistenz inzwischen zunehmend von den früheren Heimstrukturen emanzipiert. „Das ist auch mit einem neuen beruflichen Selbstverständnis der Kolleg*innen verbunden“, hat er festgestellt.

Die Regionalbüros in beiden Städten spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sind Dreh- und Angelpunkt des der Regionalen Wohnverbünde. Weil sie außerhalb der Wohnungen liegen, tragen sie auch dazu bei, Privatsphäre und Autonomie der Klient*innen zu fördern. Grundlegend ist auch das Normalitätsprinzip. So ist von außen nicht erkennbar, dass in den über die Stadt verteilten Häusern Menschen mit Behinderung wohnen. „Uns ist es sehr wichtig, dass kein Heimcharakter entsteht“, sagt Matthias Schenk.

Bewährt hat sich über die Jahre auch die Idee von multiprofessionellen Mitarbeiter*innen-Teams. Die Klient*innen haben so für unterschiedliche Anliegen einen spezialisierten Ansprechpartner. Zugleich wird aber nach dem Bezugspersonenprinzip gearbeitet, um die individuellen Ziele und Teilhabewünsche der Klient*innen zu verwirklichen. Dazu tragen auch die verschiedenen Kooperationen bei, die im Lauf der Jahre aufgebaut wurden, beispielweise mit der Gemeindepsychiatrie oder in Aalen mit der Begegnungsstätte für ältere Mitbürger, dem Haus der Jugend oder dem „C- Punkt“ der Caritas. „Daneben wir sind wir in den unterschiedlichsten Gremien vertreten und können so unseren Klienten viele Möglichkeiten aufzeigen und vermitteln“, erzählt Schenk. „Wir haben es geschafft, dass viele unserer Klient*innen nicht nur mitten in der Stadt wohnen, sondern auch mitten in der Stadt leben, also ganz selbstverständlich an den gesellschaftlichen Angeboten teilhaben können.“

Ein Beitrag hierzu ist auch die Beteiligung am Projekt „Kommune Inklusiv“ der Aktion Mensch in Schwäbisch Gmünd. „Damit wollen wir die Lebensqualität unserer Klient*innen weiter verbessern und das Thema Inklusion insgesamt vorantreiben“, erläutert Schenk. Dass dieses Vorhaben erfolgreich ist, zeigen die Rückmeldungen von Klient*innen. Monika Steinhart und Claudia Matthäs wohnen seit zehn Jahren in den neuen Wohnangeboten. „Ich hatte früher schon in Aalen gelebt und musste dann auf den Rabenhof in Ellwangen ziehen, weil es damals in Aalen noch kein entsprechendes Angebot gab, um mich ausreichend zu unterstützen. Aber ich wollte wieder selbständiger werden und an einen Ort ziehen, den ich kenne“, erinnert sich Monika Steinhart. „Ich fühle mich hier Zuhause. Ich kann den Bibelkreis oder die Rollstuhltanzgruppe besuchen, Freunde treffen, in allen Läden einkaufen. Hier habe ich mehr Möglichkeiten als am Rabenhof.“

Für Claudia Matthäs war die Ausgangssituation anders. „Nach 15 Jahren auf dem Rabenhof war es Zeit für einen Tapetenwechsel. Ich hatte den Wunsch nach mehr städtischer Nähe. Außerdem wollte ich gerne wieder meinen eigenen Haushalt führen. Jetzt kann ich meinen Haushalt wieder zu einem sehr großen Teil selbst machen und für mich kochen. Ich führe in Schwäbisch Gmünd ein selbständigeres Leben.“ Auch wenn sich ihre Hoffnung, wieder ganz alleine leben zu können, bisher nicht erfüllt hat, sagt sie: „Insgesamt hat sich auch meine seelische Gesundheit stabilisiert. Ich bekomme Unterstützung, wenn es mir nicht gut geht. Die Mitarbeiter reden mir gut zu, geben mir Halt und schenken mir Vertrauen. Am wichtigsten sind mir die Gespräche und die gemeinsamen Unternehmungen.“

Auch für Monika Steinhart zählt besonders, „dass ich immer einen Ansprechpartner und jemanden zum Reden habe“. Dankbar ist sie außerdem, wenn sie Hilfe erhält, um ihre Freizeit zu planen und zu gestalten, ihr Zimmer in Ordnung zu halten und ihr Geld zu verwalten. Was es für sie bedeutet, in Aalen in einem normalen haus wohnen zu können, fasst sie so zusammen: „Ich bin da angekommen, wo ich sein will.“

| Thomas Knies

 

Zurück

Weitere Nachrichten